Mein Leben in Kairo – Tagebuchaufzeichnungen aus den Jahren 2007 und 2008
| Rückblick in das Jahr 2000 |
Ich war gerade im Schwimmbad, es dämmerte und die Muezzine der benachbarten Moscheen riefen zum Gebet… Es war etwas windig und so hörte ich viele Gebetsrufe zur gleichen Zeit. Dieser Moment war für mich wahnsinnig mystisch. Ich atmete die Luft von Kairo tief ein… und fühlte, dass ich dieses Land, das ich gerade mal 14 Tage kannte, eigentlich nicht verlassen wollte. Es war unser letzter Abend in Ägypten nach einer 2-wöchigen Rundreise.
Ägypten faszinierte mich vom ersten Augenblick an. Als ich im März 2000 das erste Mal nach Kairo kam, hat mich der Zauber dieses Landes sofort in den Bann gezogen. Auch heute begeistern mich das Land, die Kultur und die Lebensfreude der Menschen immer wieder aufs Neue.
März 2007 – Ankunft in Kairo
Es war der 12. März 2007: Endlich ging mein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Ich flog nach Kairo, um dort für einige Zeit zu leben. Ich hatte zu dem Zeitpunkt weder einen Job noch eine Wohnung, aber ich hatte viele Freunde und Bekannte, von denen ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Sie würden mir auf jeden Fall bei der Suche nach Job und Wohnung behilflich sein. Zwei meiner Freunde – Mahmoud und Ali – holten mich am Flughafen ab. Es war eine große Wiedersehensfreude. Die ersten Tage verbrachte ich bei Menna und ihren Söhnen Moataz, Ali und Ahmed im Stadtteil Heliopolis. Mein Wunsch war es, auch in Heliopolis zu wohnen, in der Nähe des Airports. Heliopolis war ruhiger, schöner und gepflegter als Downtown, Doqqi und Mohandesseen, zudem war die Luft hier besser. Auch die meisten meiner Freunde wohnten hier.
Ahmed erzählte mir gleich am ersten Tag, dass sein Vater Ibrahim eine leerstehende Wohnung hätte, die ich mieten könnte. Das erste Problem war gelöst. Zehn Tage später zog ich in die Wohnung ein. Ich zog in Heliopolis in die Osman ibn Afan Straße. Leider waren Küche und Bad sehr alt und etwas heruntergekommen. Die Möbel waren im Stil meiner Großeltern. Aber für den Anfang sollte es reichen. Zudem zog ich damit in die Gegend, die ich mir gewünscht hatte. Gleich am nächsten Tag fuhr ich mit Ali zu Spinneys, einem großen Supermarkt, um Dinge wie Putzzeug, Waschmittel, Bettwäsche, Lebensmittel etc. zu kaufen.
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Wie wäre es mal mit einem orientalischen Hörbuch auf Audible? Ich empfehle Euch ‚Die Frau im Orient-Express‘:
Es geht um die gefeierte Krimiautorin Agatha Christie selbst. In diesem Hörbuch steigt sie heimlich unter falschem Namen in den legendären Orient-Express, um nach Bagdad zu reisen. Im Zug lernt sie die Archäologin Katharina kennen. Sie beschließt voller Abenteuerlust, Katharina bei ihrer Ausgrabung in Mesopotamien zu besuchen. Eine aufregende Reise beginnt… Definitiv eine hörenswerte Abenteuerreise über Agatha Christie.
Hörbuch ‚Die Frau im Orient-Express‘ von Lindsay Ashford
Buch ‚Verborgenes Kairo – Menschen, Mythen, Orte‘
Kairos Mietverhältnisse
Kairo ist eine Stadt voller Gegensätze – traumhaft schön, bezaubernd und hässlich zugleich, schöne alte Villen und Häuser aus dem vorherigen Jahrhundert, aber total heruntergekommen. Mich erinnerte Kairo an Potsdam nach der Wende. Warum werden diese Villen mit atemberaubenden Fassaden nicht hergerichtet? Ibrahim, der Vater von Ahmed, gab mir die Antwort: Hier wohnen Familien seit Jahrzehnten mit uralten Verträgen, d.h. sie zahlen eigentlich gar nichts, ungefähr 100 EGP, das sind nicht mal 15 €. Heute liegen die Mieten zw. 3000-4000 EGP in gehobenen Vierteln. Es ist im Grunde so, als ob die Familie die Wohnung besitzen würde. Bis vor ein paar Jahren waren diese Verträge sogar vererbbar. Klar, dass die Eigentümer der Häuser kein Geld in die Häuser investieren, wovon auch? Die Folge ist, dass wunderschöne alte Villenviertel quasi verwahrlosen. Das ist wahrlich ein Teufelskreis.
Eine große Ausnahme ist das Viertel Korba in Heliopolis – sandfarbene Gebäude mit Balkonen, Säulen, Torbögen – indisch-arabischer Baustil. Ein Traum! Doch dieses Viertel gehört der Regierung. Suzanne Mubarak machte sich dafür stark, dass das Viertel renoviert wurde. Daher ist es gepflegt und strahlend. Kein Wunder, lebt doch der Präsident Hosni Mubarak mit seiner Gattin gleich um die Ecke!
Der Verkehr in Kairo – ein Unterfangen
In den 70er Jahren muss Kairo ein Traum gewesen sein: Der Nil, die Corniche, die ersten Hotels, Feluken, und noch kaum Autos… Der Verkehr nimmt einem heutzutage die Freude am Alltag! An Werktagen erstickt die Innenstadt (Tahrir, Mohandesseen, Doqqi) am Verkehr, die 6th-of-October-Bridge ist verstopft mit alten Autos, Taxis, Mikrobussen und neuen Autos. Alle versuchen laut hupend, ihren Weg in die Innenstadt zu finden – fast hoffnungslos. Vielfach kann man im Voraus nicht abschätzen, wie viel Zeit man von A nach B braucht… Es kann von 30 Minuten bis zu 3 Stunden sein. Furchtbar!
Letzte Woche begann ich einen Sprachkurs in Ägyptisch-Arabisch bei der Sprachschule „Kalimat“ in Mohandesseen. Schon nach vier qualvollen Tagen durch den alltäglichen Verkehr betete ich, dass ich einen Job in Heliopolis oder Nasr City finden würde. Ich würde diese Fahrt zweimal am Tag auf Dauer nicht ertragen.
Der Stau ist auch dafür verantwortlich, dass der Lärmpegel in Kairo extrem hoch ist. Dieses „Hupkonzert“ ist kaum zu übertreffen. Die Menschen hupen hier vielfach zum Spaß, um „Hallo“ zu sagen, aber natürlich auch, um auf sich aufmerksam zu machen. Will man doch nicht schon wieder einen neuen Kratzer im Lack haben. Aber dieser blöde Verkehr nimmt einem in Kairo einen großen Teil der Lebensqualität. Unendlich viele Stunden verbringt man hier pro Woche im Stau.
Wer aber nicht nur den Schmutz, den Verkehr und die vielen Autos sieht, sondern auch hinter die Fassade dieser Stadt blickt, hat die Seele Kairos gesehen… Kairo – sie ist eine so dynamische und pulsierende Stadt. Diese Stadt lebt! Natürlich ist sie total chaotisch, aber irgendwie macht das auch ihren Charme aus.
Manchmal frage ich mich selbst, was mich an Kairo so fasziniert. Man sagt, entweder man liebt oder man hasst Kairo. Irgendetwas hat diese Stadt, das viele Leute in den Bann zieht… Nur keiner weiß so recht, was es ist. Kairo ist einfach einzigartig!
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Taschenbuch ‚Das Wunder Kairo: Geschichten aus der Mutter aller Städte‘
Buch ‚Im Taxi – Unterwegs in Kairo‘
Die Stadt erwacht
Es war so mystisch, wenn ich morgens um 4:30 Uhr schon wach war und die Gebetsrufe von den Minaretten aus verschiedenen Richtungen hörte: Die Gebetsrufe vom Winde verweht. Diesen Moment liebte ich… Es war unbeschreiblich. Manche Leute empfanden die ersten Gebetsrufe als störend, weil sie davon wach wurden. Mich hatte das noch nie gestört, im Gegenteil, ich freute mich auf diesen Moment. Kurz danach setzte der Verkehr in Kairo ein und die Stille der Nacht schwand dahin… ein neuer Tag begann.
Eine Schüssel Special K, etwas Obst, eine Tasse italienischen Kaffee mit Milch, duschen, anziehen und mit dem Taxi auf nach Mohandesseen… vor mir lagen etwa 60 Minuten Stau! Seit kurzem nahm ich nicht mehr die 6th-of-October-Bridge, die quer über die Stadt führt, sondern den Al Azhar Tunnel. „Khoud nafah al Azhar lau samaht – Nehmen Sie bitte den Al Azhar Tunnel.“ bat ich den Taxifahrer. Diese Strecke war zwar nicht kürzer, aber sie war einfach spannender, auch wenn es im Tunnel manchmal etwas Stau gab, was natürlich unschön war… Aber hatte man erst einmal den Tunnel hinter sich gelassen, so befand man sich in der Innenstadt, in Tahrir. Hier konnte man das Treiben auf den Straßen beobachten und das war einfach interessanter als tagtäglich die gleichen Werbetafeln auf der Brücke zu sehen. Außerdem ist Tahrir einmal ein wunderschönes Viertel im Empirestil gewesen; das sieht man bis heute an den mannigfaltigen Fassaden. Tahrir hat immer noch unheimlich viel Flair, obwohl eine Renovierung längst fällig wäre. Aber dazu fehlt leider das Geld.
Sobald man den Nil erreicht hatte und ihn auf einer seiner Brücken überquerte, hatte man einen atemberaubenden Blick: Der breite Nil, die vielen Hotels, der Kairo-Tower, die Oper von Kairo, der Gezira Sporting Club… Traumhaft schön!
Der Sprachkurs bei Kalimat machte mir viel Spaß, auch wenn Arabisch eine unendlich schwere Sprache war. Und es war ein solches Erfolgserlebnis, wenn man plötzlich Wörter auf den Schildern lesen konnte: Ku-ka-ku-la – Coca Cola! Zudem unterrichtete unser Lehrer Mohamed uns wirklich mit Herzblut. Ein toller Lehrer! Meine Kommilitonen waren aus den verschiedensten Ländern: z. B. Brasilien, Frankreich, Amerika, Großbritannien, Italien und natürlich Deutschland.
Ähnlichkeiten mit den Amerikanern
Was mich echt wahnsinnig machte, war die Tatsache, dass die Ägypter alles mit dem Auto machten – genauso wie die Amerikaner. Ich wollte ein bisschen durch Garden City laufen – unverständlich für meine Freundin Rehema. Man sah doch viel mehr beim Spazierengehen und konnte Fotos machen. Auch die Amerikaner fuhren am liebsten jeden Meter mit dem Auto. Man könnte sich ja überanstrengen! Mir fehlte in Kairo echt die Bewegung. Ohne mein Fitnessstudio wäre ich hier verloren. Leider gibt es in der Nähe keinen Garten oder Park, außer dem Heliopolis Sporting Club, aber hier braucht man eine Mitgliedschaft.
Die Ägypter haben viel gemeinsam mit den Amerikanern – das wollen sie natürlich nicht hören! Die Liebe zum Fast Food beispielsweise – McDonalds, Pizza Hut, Hardeys, Baskin & Robbins und die eigenen Fast Food Ketten wie GAD und Tikka. Das habe ich schon in den USA gehasst.
Zum Glück hatten mittlerweile auch hier die Coffeeshops Wireless Lan. So konnte ich im Beanos, Cilantros oder Starbucks sitzen und im Internet surfen und Emails schreiben.
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Taschenbuch ‚Kairo – Alltag und Ausnahmezustand‘
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Cristina Erck says
Kommentar zu Cairo:
1990 ist bei LAMUV-Verlag mein Buch „Das islamische Kairo – Ein Reisebuch“ erschienen. Geschichte, Architektur, Kultur von der arabischen Eroberung bis zur Revolution 1952.
Für Kairo-Fans wie Sie evt. ganz interessant.
Annette Sauer says
Danke, liebe Frau Erck. Ich schaue gerne in Ihr Buch und freue mich, wenn Sie mal bei mir im Geschäft vorbeischauen… Herzliche Grüße, Annette Sauer