Tagebuchaufzeichungen aus dem Jahre 2014
3. Februar 2014
Montag, 12:40, Flug mit Air Maroc mit Ziel Marrakesch
Ich sitze in einer sehr alten Boing 737-800 und fliege von München nach Marrakesch. Gerade gab es Mittagessen. Huhn mit Gemüse und eine Scheibe marokkanischen Lachs, dazu eine Dose Coca Cola. Ku-ka-ku-la steht auf Arabisch auf der Dose. Nun beginne ich, in mein Notizbuch meine ersten Aufzeichnungen zu kritzeln, auf meinem iphone läuft gerade ‚Speed of Sound‘ von Coldplay.
In den letzten Wochen war der Wunsch in mir aufgekeimt, für ein paar Tage nach Marrakesch zu fliegen. Zu Beginn hatte ich nach einer Begleitung gesucht. Meine Emirati Freundin Noura wäre gerne mitgekommen, aber sie hatte gerade einen neuen Job angefangen und konnte deshalb leider nicht. Ich dachte an meine Cousine. Aber irgendwann hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich auf diese Reise alleine gehen sollte. Mein bester Freund Christoph hat mich schon vor ein paar Wochen motiviert, wieder zu schreiben: ‚Du hast so viel in der arabischen Welt erlebt, schreib doch endlich Deine Memoiren‘. Und irgendwie hatte ich plötzlich das Gefühl, dass diese Reise eine ‚Reise ins Ich‘ sein sollte.
Während ich in Kairo gelebt hatte, hatte ich viel über meine Eindrücke und Erfahrungen geschrieben. Ich hatte sogar eine Zusammenfassung an einen Verlag geschickt. Als ich aber eineinhalb Jahre in den Golfstaaten lebte, 14 Monate in Katar und vier Monate in Dubai, hatte ich nicht ein Wort geschrieben. Woran lag das wohl? War es immer die alte arabische Welt, die mich zum Schreiben inspirierte?
Das Seltsame war ja, als ich vor fast 14 Jahren mit meinen Eltern nach Ägypten reiste, war ich kaum in Kairo gelandet und im Semiramis Intercontinental angekommen, da saß ich in aller Herrgottsfrühe – es war vielleicht 5Uhr früh – auf dem Balkon mit Blick auf den Tahrir Platz und fing an, meine ersten Eindrücke von Ägypten und Kairo aufzuschreiben. Ich schrieb sonst nie Tagebuch!
Vom ersten Augenblick an hatte die Arabische Welt so eine Faszination auf mich ausgeübt, irgendwie war es wie nach Hause kommen. Der Orient ist mit all seinen Facetten die Heimat meines Herzens. Ein Freund hatte mal gesagt: ‚You have a German mind and an Egyptian heart.‘
Ich freue mich sehr auf meinen Aufenthalt in Marrakesch. Die ersten vier Nächte habe ich in einem Riad in der Medina gebucht: Riad Al Jazira. ‚Der Spiegel‘ hatte es in einem Artikel über Marrakesch empfohlen. Die Unterkunft für die letzten drei Nächte würde ich mir Vorort suchen. Ich bin schon sehr gespannt. Natürlich will ich meine Seele baumeln lassen, durch die Souks wandern, Marrakeschs Schätze besichtigen, endlich mal wieder fotografieren, am Pool liegen und ein wenig entspannen. Aber der eigentliche und wichtigste Grund dieser Reise ist die ‚Reise ins Ich‘, das Erlebte Revue passieren zu lassen und zu verarbeiten. Zuerst habe ich überlegt, mein Laptop mitzunehmen, dann aber entschied ich mich, ein Notizbuch mitzunehmen und die Aufzeichnungen von Hand zu schreiben: Das war doch viel authentischer und persönlicher. Und mit dem iphone war ich ja online.
Oh, ich freue mich so… Christoph hat gestern in der Oper gesagt: ‚Ich glaube, die Reise kommt genau zur richtigen Zeit. Ich finde es wirklich gut, dass Du diese Reise machst.‘
So, noch 90 min und dann landen wir in Marrakesch, gerade fliegen wir über Spanien…
Ankunft Marrakesch, es ist 16.15 Uhr Ortszeit. Über die Treppe verlassen wir das Flugzeug und laufen über das Rollfeld zum nahgelegenen Flughafengebäude. An der Passkontrolle ist kein Mensch. Ich muss grinsen… Ich bin im Orient angekommen. Nun heißt es Entschleunigen. Typisch Araber, kein Mensch an der Passkontrolle, das würde einem in Europa nicht passieren. Langsam kommt einer nach dem anderen, um die Schalter zu öffnen. ‚Bienvenue au Maroc‘ steht am Bankschalter. Noch schnell etwas Geld wechseln und dann auf nach Marrakesch. Draußen steht ein Fahrer, der mich in mein Riad bringen soll. Er heißt Halif und ist begeistert, dass ich Arabisch spreche. Am Ende der Fahrt gibt er mir seine Visitenkarte: ‚If you need anything, let me know…‘
Ein anderer Mann mit einem Schubkarren für mein Gepäck geleitet mich durch den engen Gassen zum Riad Dar Sara. Dort stellt sich raus, dass mein gebuchtes Riad Al Jazira keine anderen Gäste hätte außer mir. Deshalb schlägt mir eine Dame am Telefon vor, dass ich im Raid Dar Sara bleibe. Ich bin etwa verstimmt, hatte ich mir doch extra das Riad Al Gazira ausgesucht, weil es von all ihren Riads auf ihrer Website das Schönste zu sein schien. Trotzdem akzeptiere ich. Ganz alleine in einem Riad wäre vielleicht doch etwas seltsam. Sara führt mich rum und zeigt mir alles. Es gibt neun Zimmer, viele kleine Innenhöfe und einen ganz kleinen Pool zum Abkühlen im Sommer. Ich einige mich mit Sara, dass ich statt einem gebuchten Superior Room eine von zwei Suiten bekomme. Nun bin ich wieder versöhnt. Nach einem Glas süßen Tee und einer Zigarette gehe ich in meine Suite und fange an auszupacken. Ich habe mich für das Abendessen um 20h angemeldet: Als Vorspeise arabischer Salat und zum Hauptgang Tajine mit Lamm und Gemüse.
5. Februar 2014
Jetzt bin ich schon zwei Tage in Marrakesch und habe schon so viel erlebt. Am ersten Abend bin ich mit Alex unterwegs, einem Freund eines Freundes, der zufällig auch gerade in Marrakesch ist. Wir gehen auf den berühmten Gauklerplatz Djemaa el Fna und beobachten das aufredende Treiben auf dem berühmten Platz. Es ist wirklich ein Riesenspaß. Am nächsten Morgen aufstehen, leckeres Frühstück im Riad mit French Toast, Crêpe, Brot, Marmelade, Fresh Orange Juice, Joghurt, Ei und Kaffee. Sehr lecker – lazis qawy. Kurz Notizen auf der Terrasse und dann auf ins Getümmel. Das Riad ist etwas 15min zu Fuß entfernt vom Djemaa el Fna. Ich laufe über den Platz, sehe Marokkaner, die Schlangen beschwören oder Äffchen auf den Schultern tragen, Frauen, die ihre Henna-Kunst anbieten, Wasserträger und und und. Es ist wirklich ein Fest für die Augen. Überall Farben und Geräusche, Stimmen und Lachen; ein lustiges Treiben, wohin man auch sieht. Es sind viele Händler auf dem Platz, die ihre Ware anbieten. Nun rein in die Souks. Am Anfang bin ich noch etwas unsicher, schaue links und rechts, fühle etwas Unbehagen, dass mir jemand etwas klauen könnte. Angeblich ist es ungefährlich, da es überall Polizisten gibt, erfahre ich später von Alex.
Im Souk treffe ich den Marokkaner Abdul. Er will mir kurz den Weg zeigen, aber dann bitte ich ihn, etwas länger zu bleiben, als er mich in der Gerberei zurücklassen will. Wir gehen gemeinsam in ein Lampengeschäft. Ich möchte unbedingt eine große, runde Lampe für die Wand über der Couch im Wohnzimmer kaufen. Zuerst liebäugele ich mit einer Mittleren, aber dann frage ich doch nach dem Preis für die große Lampe: 4000 Dirham sagt der Händler. ‚Ghaly qawy – sehr teuer‘, antworte ich. Wir einigen uns nach einiger Zeit auf 2500 Dirham, etwa 250 €. Wow… die Lampe ist echt gigantisch!
7. Februar 2014
Heute habe ich das Riad gewechselt. Ich bin nun im Riad Aliya, das kleiner ist als das Vorherige. Was mir besonders gefällt ist, dass jedes Zimmer seine eigene Farbe hat. Ich wähle das blaue Zimmer, klein, aber fein. Heute ist Freitag. Nur noch zwei volle Tage und dann geht es wieder heimwärts. Ich habe so viel erlebt in der kurzen Zeit und genieße die Tage hier in Marrakesch. Was für ein Glück, dass ich hergekommen bin.
Abends besuche ich das erste Mal ein Hamam. Das ist wirklich eine Erfahrung. Man wird mit ganz viel Wasser in einem Dampfbad übergossen, dann wird die ganze alte Haut abgeschrubbt; danach folgt eine wunderbar entspannende Massage. Als ich zurück zu meinem Riad laufe fühle ich mich wie neugeboren.
Morgen geht es mit dem Mircobus nach Essaouira. Tamer, ein neuer marokkanischer Bekannter, wird mich begleiten. Ich bin sehr gespannt auf das kleine Fischerörtchen am Atlantik.
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