Zagora – Tagebuchaufzeichungen – Oktober 2017
Eine lange Fahrt von Marrakesch nach Zagora liegt hinter uns… Wir sind eine internationale Gruppe aus verschiedenen Ländern und werden die Nacht in einem Wüstencamp verbringen. Vier Berber und ihre Kamele erwarten uns bereits. Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Ich entdecke ein weißes Kamel. Auf seinem Rücken möchte ich gerne zum Camp reiten. Wie ich später erfahre, heißt es Amallal, was auf berberisch ‚weiß‘ bedeutet. Mit Sack und Pack geht es auf den Rücken von Amallal in Richtung Camp. Das Tier steht langsam auf, ein Ruck nach vorne, ein Ruck nach hinten und Amallal steht, mit mir oben drauf. Wie aufregend! Auch die anderen aus der Gruppe sind mittlerweile auf den Rücken der Kamele.
Unsere Karawane setzt sich langsam in Bewegung. Ich sehe Ausschnitte aus dem Film Der Medicus vor mir. Die Szenen der Karawane in der Wüste, der Medicus Rob Cole läuft zu Fuß, das jüdische Mädchen in der Sänfte, das ihn von Anfang an fasziniert, der Sandsturm, in den seine Karawane gerät…
Ein unbeschreiblich schöner Film zwischen Orient und Okzident, der im Mittelalter zu Zeiten des großen Medicus Ibn Sina spielt. Der Medicus ist einer meiner Lieblingsfilme. Szenen, die in der Wüste und im damaligen persischen Isfahan spielen, wurden in Ouarzazate und Umgebung, Marokko, gedreht. Ein großes Filmhighlight.
Doch zurück zu uns: Vor uns liegen 80 min Kamelritt. Ganz schön anstrengend, der Po tut mir schon nach wenigen Minuten weh… 30 min würden mir reichen, aber da muss ich jetzt durch und irgendwie ist es ja auch aufregend. Annette auf den Spuren des Medicus. Wir beobachten den Sonnenuntergang. Wie wundervoll!
Plötzlich entdecken wir das Camp am Horizont. Nach wenigen Minuten sind wir am Ziel. Runter von den Kamelen… Wir werden bereits im Camp erwartet. Zusammen mit Romina und Tina bekomme ich Zelt Nummer 9 zugeteilt: ein spartanisch eingerichtetes Zelt mit drei Betten, zwei Beistelltischen und Teppichen auf dem Wüstenboden. Es gibt sogar eine Steckdose. Jetzt sind wir erleichtert, ein Stück Zivilisation in der Wüste. Unsere Handys sind gerettet…
Welcome Tea in der Wüste
Kurz darauf treffen wir uns zum Welcome Tea. Plötzlich entdecke ich Sylvia, eine liebe Freundin, die zur gleichen Zeit wie ich in Marrakesch ist und den Zagora Wüstentrip mit einer anderen Reisegesellschaft gebucht hat. ‚Sylvia, Du hattest Recht, wir sind im gleichen Camp.‘ Lachend laufe ich zu ihr und falle ihr in die Arme. Auch ihre Freundin Ingrid begrüßt mich freudig. Was für ein Glück!
Zurück in meiner Gruppe gibt es Plätzchen, Erdnüsse und süßen Tee mit Minze… sehr lecker. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe aus Holland, Dänemark, Deutschland und Brasilien. Vor allem mit den beiden deutschen Mädchen aus Füssen verstehe ich mich auf Anhieb sehr gut. Etwas später werden wir zum Abendessen gerufen: es gibt ein leichte Gemüsesuppe mit Reis, Tajine mit Huhn und Gemüse, zum Dessert einen Obstteller mit Granatapfel – es ist gerade Saison für diese besondere Frucht – Weintrauben und Mandarinen.
Interkulturelle Kommunikation am Lagerfeuer
Später sitzen wir alle draußen unter freiem Himmel, ein Lagerfeuer in der Mitte. Eine berberische Musikgruppe tanzt und singt für uns zu Trommelmusik. Die Stimmen klingen für unsere Ohren etwas schräg, trotzdem ist es lustig, sie zu beobachten. Wir werden von den Berbern aufgefordert, mitzutanzen. Eine lustige tanzende Schlange bildet sich, alle bewegen sich rhythmisch zu den Trommeln.
Ein Berber streift seine Tjallabeyya ab und gibt sie einem kleinen Jungen aus unserer Gruppe. Der zieht sie freudig an, die beiden tanzen glücklich und ausgelassen Hand in Hand. Ein Bild für die Götter… ‚Interkulturelle Kommunikation‘, sage ich zu Sylvia. Wir beide fangen an Bauchtanz zu tanzen, unsere Kenntnisse von früheren Bauchtanzkursen sind erstaunlicherweise noch vorhanden. Es ist wirklich schön, all diese Menschen so ausgelassen in der Wüste tanzen zu sehen? Man fragt sich, warum es all diese Kriege und Quälereien auf der Welt gibt, wenn hier Menschen aus vielen verschiedenen Nationen zusammenkommen, sich kaum kennen und so eine wunderbare Zeit miteinander verbringen.
Sternenhimmel in der Wüste
Zusammen mit Sylvia und Ingrid verlasse ich das Camp, um die Sterne zu beobachten. Wir laufen ein paar Meter, dann legen wir uns in den Sand und schauen nach oben… Atemberaubend dieser Sternenhimmel. Die vielen leuchtenden Sterne! Was für ein Wunder unser Universum doch ist. Kurz vor Mitternacht gehe ich zurück in mein Zelt, Romina und Tina liegen bereits in ihren Betten. Müde und erschöpft, aber glücklich falle ich in einen tiefen Schlaf.
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