
Großzügigkeit wird im Orient großgeschrieben. Bei meinen Reisen in orientalischen Ländern und bei meinen Auslandsaufenthalt – in Ägypten, Katar oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten – bin ich immer wieder auf überaus großzügige Menschen gestoßen. Davon möchte ich Euch in diesem Blogartikel erzählen.
Meiner Erfahrung nach ist Großzügigkeit in orientalischen Ländern eine große Tugend. Großzügig zu sein ist in vielen Kulturen im Orient Teil der Mentalität. Zudem sind Spenden und Mildtätigkeit im Koran verankert und eine der fünf Säulen des Islam. Was bedeutet eigentlich Großzügigkeit? In meinen Augen ist es die Tat einer Person, die über die Erwartungen einer anderen Person hinausgeht, eine Geste, mit der man nicht rechnet.
Gerne erzähle ich Euch von ein paar Beispielen, wo mir selbst Großzügigkeit in orientalischen Ländern widerfahren ist.
Tee & Gebäck beim Check-in
Als erstes ein Beispiel, das sicher viele von Euch auf Orientreisen ebenfalls erlebt haben: Bei der Ankunft in einem Hotel, sei es beispielsweise in Marokko oder Ägypten, ist es üblich, beim Check-in in der Lobby oder im Eingangsbereich den Gästen marokkanischen bzw. ägyptischen Tee mit Gebäck zu reichen. Ich persönlich finde das ein sehr schönes und gastfreundliches Ritual und ist ein Zeichen der Großzügigkeit und Gastfreundschaft in diesen Ländern.
Nofretete-Anhänger als Geschenk
Auf meiner ersten Reise in Ägypten zusammen mit meinen Eltern passierte mir in einem Schmuckgeschäft in Luxor etwas Unbegreifliches. Ich war damals 21 Jahre alt und ganz begeistert von Ägypten. Natürlich wollte ich mir viele Souvenirs als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Bei einem Schmuckhändler in Luxor sollte es ein kleiner Nofretete-Anhänger in Gold sein. Meine Eltern waren in dem Moment aber der Meinung, dass ich bereits genug Souvenirs erstanden hatte, und verboten mir, den Anhänger zu erstehen. Natürlich war ich sehr enttäuscht, hatte ich mich doch in diesen Nofretete-Anhänger bereits verliebt.
Anscheinend war mir die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kam ein Verkäufer des Schmuckgeschäfts auf mich zu und reichte mir den gleichen Nofretete-Anhänger in Silber als Geschenk… Auch die anderen Verkäufer lachten mich an und freuten sich, mir auf diese Weise eine Freude zu machen. Ich war perplex und überaus glücklich. Auch meine Eltern und andere Teilnehmer unserer Reisegruppe waren begeistert. Habt Ihr so etwas schon mal erlebt? Wahnsinn, oder?
Wer bezahlt die Rechnung?
2007 und 2008 lebte ich in Kairo und hatte viele ägyptische Freunde, die ich oft abends traf. Ich hatte auch einen ägyptischen Partner. Wir gingen oft essen oder trafen uns für alkoholfreie Getränke und Shisha in einem der vielen Cafés oder Restaurants in Kairo. Es war immer ein freudiges Miteinander. Wir lachten viel. Wenn es dann zum Rechnung bezahlen ging, gab es meist einen Wettstreit zwischen den Jungs, wer die Rechnung bezahlen durfte. Gegenseitig nahmen sich die Jungs die Rechnung aus der Hand. Jeder wollte bezahlen. Es war wirklich lustig, dieses ‚Schauspiel’ zu beobachten. Getrennte Rechnung, wie es bei uns oft gängig ist, gibt es in Ägypten und auch in Marokko kaum. Ich persönlich finde das Ritual ‚Mal zahlt der eine, das nächste Mal der andere‘ auch viel angenehmer und großherziger.
Heimfahrt in Kairo
Wenn wir abends in Mohandesseen oder Zamalek mitten in der Innenstadt ausgingen, war es für meinen Partner oder einen der anderen Jungs selbstverständlich, mich spät abends nach Heliopolis weit draußen am Stadtrand zurückzufahren. Es bedeutete für den Jeweiligen mit Hin- und Rückfahrt sicher eine Fahrtzeit von 60-90 min. Für die Jungs war es selbstredend, dass ich abends um 23h sicherheitshalber nicht mit einem Taxi alleine zurückfahren konnte. Wenn ich heute drüber nachdenke, empfinde ich das Verhalten der Jungs als wirklich lobenswert und überaus großzügig. Immerhin kamen sie selbst viel später ins Bett.
Hochzeiten in Ägypten
Und noch eine Anekdote von meinem Auslandsaufenthalt in Kairo. Ich habe gerade nachgezählt: in den anderthalb Jahren in Ägypten war ich auf fünf Hochzeiten. Das lustige ist, von den fünf Brautpaaren kannte ich nur zwei vor der Hochzeit persönlich. Bei den anderen drei wurde ich von Freunden einfach auf die Hochzeit mitgenommen. Ob die Freunde vorher gefragt hatten, ob sie mich mitbringen könnten oder nicht, kann ich gar nicht sagen. Nun, Hochzeiten in Ägypten sind immer recht groß, es wird viel getanzt und viel gegessen. So kommt es auf die ein oder andere Person auch nicht mehr an. Auf jeden Fall wurde ich von den drei mir unbekannten Brautpaaren herzlich auf ihrer Hochzeit empfangen geheißen. Ich finde das ist auch ein sehr schönes Beispiel für ägyptische Großzügigkeit ist, findet Ihr nicht?
Auf der Suche nach einem neuen Job
Anfang 2013 lebte ich bereits einige Zeit in Doha, Katar. Meine Zeit bei der Hotelkette Kempinski neigte sich dem Ende zu und ich war auf der Suche nach einem neuen Job in den Golfstaaten. Einem jungen Ägypter, den ich kaum kannte, erzählte ich davon. Er war sofort bereit, mir seine Hilfe bei der Jobsuche anzubieten. So sagte er: ‚Einer meiner Cousins lebt in Dubai und ist Teilhaber der Firma XY. Schick mir doch Deinen Lebenslauf, dann leite ich ihn gerne an meinen Cousin weiter.‘ Ich war positiv überrascht und versprach, ihm meinen Lebenslauf am nächsten Tag zukommen zu lassen. Auch dies ist ein besonderes Beispiel für Großzügigkeit, vor allem weil ich den Ägypter gerade erst kennen gelernt hatte.
Ein kleines Geschenk für Mosa im Souq
Im vergangenen Sommer war ich mit meinem Partner und seinen zwei Söhnen in Marrakesch zu Besuch bei der Familie. Eines Abends ging ich mit der Mama meines Freundes und seinen Söhnen Mosa und Yassin in die Souqs von Marrakesch. Mosa war auf der Suche nach Sandalen. An einem Verkaufsstand probierte er mehrere Paare an und wurde bald fündig. Während die Oma die Sandalen für ihn kaufte, unterhielt er sich mit dem Verkäufer angeregt. Dieser war von Mosa so begeistert, dass er ihm als kleines Präsent einen Geldbeutel schenkte, der eigentlich für seinen eigenen Sohn gedacht war. Mosa war sehr erstaunt und freute sich sehr über das kleine Geschenk des freundlichen Verkäufers und die neuen Sandalen von der Oma.
Nun, mir ist bewusst, dass es in jeder Kultur großzügige Menschen gibt. Mir war es in diesem Blogartikel einfach wichtig, auf die Großzügigkeit von Menschen in orientalischen Ländern einzugehen. Ich war selbst erstaunt wie viele unterschiedliche Beispiele mir recht schnell zu diesem Thema einfielen. Ich bin mir sicher, Euch werden ebenfalls positive Beispiele von großzügigen Menschen auf Euren Reisen einfallen. Geht doch mal auf gedankliche Entdeckungsreise. Viel Spaß dabei.
Schreibe einen Kommentar